Neugotik

Kunsthistorische Betrachtung:

Die Langstädter Kirche Ein bemerkenswertes Beispiel neugotischer Bau- und Gestaltungskunst

4. Folge: Der Architekt und sein Bauführer

Die Langstädter Kirche sorgte schon beim Bau durchaus für etwas Furore; für den Baumeister war sie ein „Vorzeigeobjekt“ geworden, das ihm Ruhm einbrachte.

Doch wer war eigentlich der Architekt? Sein Name: Heinrich Adalbert Schneller. Er wurde für die Gemeinde Langstadt (Bauherrin) auf Empfehlung des Kreisbaurates Kraus von Dieburg tätig. Schneller war seinerzeit als Bauaccesist (Referendar) beim Kreisbauamt Erbach tätig. Kreisbaurat Kraus war ein erfahrener und versierter Mann, er schätzte den jungen Mann in Erbach und stellte daher den Kontakt her.

Anlässlich der Renovierung unserer Kirche 1980 befasste sich der die Maßnahme leitende Architekt Dr. Johannes Sommer mit der Person und konnte in alten Akten einiges über den Baumeister erfahren: Der Name Schneller taucht wohl 1749 erstmalig in Michelstadt auf, ein aus Tirol stammender Carll Schneller ist dort beim Bau der Mümlingbrücke genannt. Wie früher vielfach üblich, waren auch Nachkommen in die beruflichen „Fußstapfen“ des Vaters getreten.

Familie Schneller war demnach schon mehrere Generationen in Michelstadt ansässig, als am 01.11.1841 jener Heinrich Adalbert Schneller geboren wurde. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Schlitz (Oberhessen), wo Vater Heinrich Schneller Bauverwalter wurde. Mit 17 Jahren übersiedelte Heinrich Adalbert nach Darmstadt und wurde Schüler der Höheren Gewerbeschule, an die sich wohl ein Studium anschloss. Dann kam er in die Kreisbauverwaltung Erbach. Heinrich Adalbert Schneller war zumindest bis 1881 dort tätig, entwarf neben der Langstädter Kirche noch die evangelische Kirche für Rothenberg/Odenwald, die 1883 fertiggestellt wurde. Diese Kirche ist nach dem gleichen Bauprinzip wie die Langstädter Kirche errichtet (Kreuzförmiger Grundriss; Turm unten quadratisch, oben achteckig), jedoch erheblich kleiner und einfacher. Anders als in unserer Kirche finden sich dort im Chorfenster Personendarstellungen (Taufe Jesu). Leider ist diese Kirche in den 60er Jahren modernisiert worden. Dabei wurde die Ausmalung komplett beseitigt und die (hölzerne) Kanzel entfernt. Sogar die Emporenbrüstung wurde durch einfache Bretter ersetzt.

Die Säulen der Empore sind jedoch noch die alten und mit den Langstädter Säulen identisch. Besser erging es der kleinere Martinskirche, die fast zeitgleich in Rothenberg für die neuentstandene selbstständige lutherische Gemeinde erbaut worden ist. Dieser neugotische Bau ist kaum verändert. Schneller war dann beim Kreisbauamt in Friedberg und insoweit bei der Rettung der baufällig gewordenen Stadtkirche dort beteiligt. Später ging er nach Bingen/Rhein. Er starb - wohl unverheiratet – mit 68 Jahren am 10.04.1910 in Darmstadt.

Da Heinrich Albert Schneller ja seinen Beruf im Kreisbauamt in Erbach hatte, schlug er zur Baubetreuung in Langstadt seinen jüngeren Bruder Georg Gottlieb Schneller als Bauführer vor. Über ihn finden sich Informationen in der Festschrift „100 Jahre Evangelische Kirche Steinheim am Main“ von Martin Birkenfeld. Zwar hatte er keine Pläne für unsere Kirche gemacht, doch hatte er als Bauführer eine gewichtige Aufgabe beim Bau der Langstädter Kirche und soll daher hier auch etwas vorgestellt werden: Georg Gottlieb Schneller (1855-1905) war Baumeister mit Studium und später als Architekt tätig. Seine Kirchenbauten sind etwas steif von der Außenwirkung; gelungen sind ihm jedoch die Raumwirkungen innen. Von Georg Gottlieb Schneller entworfen sind z.B. folgende Kirchen:

Kath. Kirche Hainhausen (1890- 93),
kath. Kirche Weiskirchen
(kriegszerstört und total umgestaltet),
kath. Kirche
Dietesheim/Main (1891-93),
kath. Kirche Hausen bei Obertshausen (1897-99).
In
Steinheim entwarf er die kath. Kirche (1892-93) und die ev. Kirche (1900-02) und zudem
die jüdische Synagoge, letztere allerdings im „maurischen Stil“.

Alle diese Bauten sind – teilweise stark – modernisiert. Teilweise wurden die Fenster ersetzt, überall die Ausmalung beseitigt. In Steinheim wurde die Ausmalung der ev. Kirche 2002 teilweise rekonstruiert, wodurch der vorher kahle Innenraum sehr gewonnen hat.

Georg Gottlieb Schnellers Kirchen sind von einfacherer Architektur, zeichnen sich eher nicht durch besondere Originalität aus und waren kostengünstig konzipiert.

Die Langstädter Kirche ist dagegen ein echter „Prachtbau“, aufwändig und genial. Schön, dass wir sie immer vor Augen haben…. !

Frank Ludwig Diehl

Wallfahrtskirche St. Rochus Rodgau- Hainhausen

Kath. Kirche Steinheim

Kath. Kirche Dietesheim a. Main

Rothenberg/Odenwald „Die kleine Schwester unserer Kirche“

P.S.: Natürlich gibt es an solcheinem Bauwerk auch immer wieder notwendige Reparaturen (zuletzt Dachrinnen und Türrahmen zur Empore).
Für Spenden zur Unterhaltung des Baudenkmals ist man
seitens der Gemeinde immer dankbar!

(Spendenkonto: IBAN: DE38505613150105926793, Stichwort: „Baufonds Kirche“)