Die Reformation in unserer Gegend

Am 31. Oktober 1517 heftete Luther seine 95 Thesen zum seinerzeit üblichen Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Diese Tür diente damals wohl öfter als „schwarzes Brett“ für theologische Gedanken und Anstöße. Diesmal aber trat es eine Lawine los, die Reformation begann... Die Notwendigkeit von Reformen in der Kirche gab es schon lange. Es gab viel Doppelmoral, Machtmissbrauch und andere Auswüchse. Frühere Reformatoren wurden niedergedrücktoder umgebracht, man denke nur an Jan Hus.

Diesmal aber war die Zeit reif und die Parteinahme von Fürsten für Luther und Reformation schuf eine neue politische Situation. Die Knechtung des Volkes durch den Adel ließ auch dort reformatorische Gedanken auf fruchtbaren Boden fallen, die Bauernkriege 1525 waren auch religiös motiviert.

Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg mit ihren beiden Landesteilen um Buchsweiler im Elsass einerseits und Babenhausen andererseits wurde von Graf Philipp III regiert. Dieser hatte als junger Mann einen politischen Fehler gemacht und wurde hart dafür bestraft. Dies ließ ihn später entsprechend vorsichtig, ja zögerlich werden. Früh schon symphatisierte er mit Luthers Gedanken und Ideen. Er unterließ es aber, in seiner Grafschaft die Reformation einzuführen.

Unter seiner Regierung wurde 1523 in Langstadt die kleine Kapelle durch einen neuen, größeren Chorraum erweitert. Als im Rahmen des Bauernkrieges das Schloss in Buchsweiler niedergebrannt wurde, sah er darin einen Zusammenhang mit den reformatorischen Schriften und distanzierte sich wieder. Er fühlte sich von den Bauern unberechtigterweise angegriffen, da er offensichtlich nicht zu den größten Despoten unter den Fürsten zählte. 1538 starb der Graf, sein Sohn Philipp IV übernahm die Regierung. Philipp III hatte im Elsass selbstständige Reformen mancher Pfarrer geduldet, sein Sohn forcierte nun dort die Reformation - stark unterstützt von seiner Frau, die jedoch 1544 verstarb.


Für Schlierbach ist bereits für das Jahr 1218 eine Veits-Kapelle belegt,
die damals so aus-gesehen haben könnte. Ob sie später verändert wurde
(z.B. Einbau größerer, gotischer Spitzbogenfenster), ist nicht überliefert.

Während Buchsweiler längst evangelisch war, blieb hier wohl noch weitgehend alles beim alten. Einige Pfarrer haben jedoch die Gunst der Zeit genutzt und geheiratet, sozusagen als „kleine private Reformation“. Philipp IV berief 1545 Dr. Erasmus Alber(us) nach Babenhausen. Es erschien ihm nun nicht mehr so notwendig, Rücksicht auf das benachbarte Mainz zu nehmen, mit dem er sogar etliche Dörfer gemeinsam besaß. Erasmus Alberus war ein Wetterauer und um 1500 als „Pfaffenkind“ (was häufig vorkam, obwohl es ja nicht sein sollte...) geboren.

Nach harter Schulzeit und Studium in Mainz und Wittenberg wurde er Freund Luthers und Melanchtons. Er war nicht nur Theologe sondern auch Lehrer und Literat. Und was das Predigen anging, da hatte er eine scharfe Zunge.

Erasmus Alberus begann im Frühling 1545 seine Arbeit als Pfarrer und Superintendent in Babenhausen und führte die evangelischen Gottesdienste in deutscher Sprache in der Babenhäuser Stadtkirche ein. Er war für die anderen Pfarrer Vorbild und Vorgesetzter, durch ihn wurden auch die Pfarrer von Altdorf (damals noch zuständig für Langstadt) und Schaafheim zu lutherischen Geistlichen. Schlierbach hatte damals noch seine eigene Kapelle, die durch die Johanniter in Mosbach betreut wurde. Diese Betreuung wurde nun nicht mehr gewünscht (weil sie ja katholischwar) und dem Pfarrer von Schaafheim übertragen.

Dies ist das Titelbild eines Traktates von Erasmus Alberus zum Thema Kindertaufe. Möglicherweise zeigt es den Autor selbst in seiner Eigenschaft als Pfarrer.

Erasmus Alberus brachte die Reformation im Amt Babenhausen zwar mit viel Elan auf den Weg, aber er wurde noch im Herbst 1545 vom Grafen entlassen. Er hatte den Grafen in Predigt und Schriftform öffentlich kritisiert: Philipp IV hielt eine Tante im Schloss wie eine Gefangene, weil sie dereinst als Nonne in ein Kloster gehen musste, dort jedoch schwanger wurde und den Orden verlassen hatte. Alberus tadelte diesbezüglich den Landesherrn als unchristlich, da diese Frau keine Freiheit mehr hatte und nicht einmal seelsorgerischen Besuch bekommen durfte. Nach Erasmus Alberus kamen jedoch neue Pfarrer, die sein reformatorisches Werk fortführten.

Langstadt wurde bald - 1561- zur Pfarrei aufgewertet und bekam einen eigenen lutherischen Geistlichen.

Die Kapelle wurde nach und nach etwas im Sinne des evangelischen Gottesdienstes umgestellt, so ist für 1571 die Anschaffung einer Kanzel überliefert. In dieser Zeit wurde die Schlierbacher Kapelle schon nicht mehr betreut, vielleicht weil sie zu klein war, möglicherweise auch ein Stück weit vom Dorfe entfernt gelegen.

Wir wissen heute weder ihren Standort noch ihr Aussehen.

So etwa mag die alte Langstädter Kirche innen ausgesehen haben, nachdem sie mehr und mehr zur protestantischen Zuhörerkirche umgestaltet war. Die Kanzel befand sich am Triumphbogen, der Chorraum vom Kirchenschiff trennt.